Es bleibt dabei: Die Waffen nieder! Keine Waffen, keine Menschen diesem Krieg!

Erklärung des SprecherInnenrats der BAG Frieden der LINKEN

Krieg ist ein Verbrechen und gehört als Mittel der Politik geächtet anstatt befeuert. Je mehr Rüstungsgüter Deutschland liefert und sich an der Aufrüstung der NATO-Ostflanke beteiligt, desto mehr wird es selbst zur Kriegspartei. Die Gefahr eines Flächenbrands in Europa mit nuklearem Ausgang droht so sehr wie seit Jahrzehnten nicht.

Wir sind uns einig über die Verurteilung des russischen Einmarschs in die Ukraine. Es gibt keine Ausnahmen in der Bewertung von Angriffskriegen. Allerdings kommt dieser Krieg nicht aus heiterem Himmel. Er kündigte sich seit mehr als 20 Jahren an. Von 1990 – vom Wortbruch gegenüber Gorbatschow in der Frage der NATO-Osterweiterung, über die einseitige Kündigung der ABM-, A-KSE- und INF-Rüstungsbegrenzungsverträge bis zum Aufbau des NATO-Raketenschirms an den Grenzen Russlands – bis heute kennt das Agieren von NATO und EU im Osten Europas nur eine Richtung: Eskalation. Mittlerweile liegen die Militärausgaben der NATO-Staaten 17-mal über denen Russlands und sollen noch weiter massiv steigen. Auch Russland rüstet auf, vor allem mit neuartigen Waffensystemen, wie Hyperschallraketen, und formuliert seinerseits eine zunehmend nationalistische außenpolitische Doktrin.

Die Bundesrepublik Deutschland nimmt spätestens seit 2014 aktiv Partei für die Kräfte der Eskalation im Westen, und für die rechts-nationalistische Führung in Kiew. Auf den Ukraine-Krieg reagiert auch die neue Ampel-Regierung ganz in diesem Sinne – mit Waffenlieferungen in ungeahntem Umfang, einem beispiellosen Aufrüstungspaket, Sanktionen und dem möglichst vollständigen Bruch aller Beziehungen nach Russland. Der einzige Profiteur dieser desaströsen Politik hierzulande ist die Rüstungsindustrie.

Doch wer Waffen liefert, will keinen Frieden, wie Bundeskanzler Scholz behauptet, sondern macht sich schuldig an noch mehr Tod und Zerstörung und ist mitverantwortlich dafür, dass der Krieg noch länger und noch blutiger wird, dass eine Verhandlungslösung in noch weitere Ferne rückt. Keine Frage: Der russische Angriff ist völkerrechtswidrig, ungerechtfertigt und wird mit großer Brutalität geführt. Doch das Gerede von einer „Zeitenwende“ ist ahistorisch. Es ist bei weitem nicht das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass eine militärische Großmacht ein anderes Land überfällt, um dessen Grenzen im eigenen Interesse zu ändern. Die kriegsbegründende Rhetorik der russischen Regierung nimmt ganz offenkundig Anleihen bei der Rhetorik der NATO-Staaten, als sie 1999 Jugoslawien überfielen: Es gelte, einen „Genozid“ zu verhindern und einem extrem verbrecherischen Regime die Waffen aus der Hand zu schlagen. Dass dabei Zivilisten zu Schaden kommen, wird von kriegführenden Parteien immer in Kauf genommen („Kollateralschäden“), das war bei den kriegführenden NATO-Staaten in Jugoslawien nicht anders, und auch nicht bei den kriegführenden NATO-Staaten  2003 im Irak, 2012 in Libyen – oder eben heute in der Ukraine. Nicht zuletzt deswegen muss alle Kraft auf die rasche Beendigung des Krieges statt auf seine Verlängerung gerichtet werden!

Die einzige Haltelinie für die deutsche Kriegspolitik ist im Moment (!) noch ein eigener Kampfeinsatz von Bundeswehrsoldaten. Doch die Logik der militärischen Eskalation ist vorhersehbar. Deutschland beteiligt sich mit eigenen Truppen an der weiteren Verstärkung der NATO-Ostflanke. Wurde vor Beginn des Krieges noch erörtert, sogenannte Defensiv-waffen zu liefern, ist man inzwischen schon bei schwerem Kriegsgerät angekommen. Doch dies provoziert die russische Seite weiter und verlängert nur den Krieg und damit die Opferzahlen und Zerstörung. Und es riskiert den 3. Weltkrieg: Nicht nur die von Polen ins Gespräch gebrachte sogen. „NATO-Friedenstruppe“ und die von Selenski vehement geforderte Flugverbotszone würde nichts weniger bedeuten, als dass die NATO direkt in einen Krieg gegen Russland eintritt – auch der Tod von NATO-Soldaten bei der Bekämpfung eines solchen Waffentransports z.B. wäre ein solcher worst case. Eine nukleare Eskalation wäre dann sehr wahrscheinlich.

Wer auf eine „Abnutzung“ der russischen Militärmacht hofft oder gar auf ein Szenario wie in Afghanistan setzt, nur „damit Putin nicht gewinnt“, muss sich klar machen: Sie hilft der Ukraine nichts. Etwas anderes zu behaupten, wäre zynisch, wie ein Blick auf Afghanistan zeigt, das nach 40 Jahren Krieg ein vollständig zerstörtes Land ist.

Im Interesse der ukrainischen – wie auch der gesamteuropäischen – Bevölkerung ist es nicht, mit noch mehr Waffen einen noch längeren Krieg zu provozieren, sondern alle Kraft in eine Verhandlungslösung zu investieren. Hierbei müsste die Bundesregierung – schon angesichts unserer deutschen Verantwortung für den faschistischen Vernichtungskrieg gegen beide Länder – eine wichtige Vermittlerrolle spielen. Doch mit jedem Waffenexport aus Deutschland wird diese Chance geringer, weil Deutschland sich damit praktisch zur Kriegspartei macht.

Die militärische Eskalation wird vom Westen flankiert durch einen bislang beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Russland „ruinieren“ zu wollen, wie Außenministerin Baerbock verkündete, ist im Vergleich zu den Rüstungslieferungen sogar noch eine weit drastischere Kampfansage an Moskau. Man muss bis in die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zurückgehen, um eine ähnlich martialische Äußerung einer deutschen Regierung gegen irgendein Land zu finden. Wer die russische Wirtschaft zerstören will, hat sich von der Legende „gezielter“ Sanktionen gegen die wirtschaftliche und politische Elite des Landes verabschiedet. Zum Kriegsgegner wird so unversehens die gesamte russische Bevölkerung. Dass Wirtschaftssanktionen nicht weniger tödliche Folgen haben können als Bombardements, dürfte heute bekannt sein. Ob die Sanktionen gegen den Irak oder gegen Syrien – Hunderttausenden Menschen fehlten dadurch Medikamente und der Zugang zu Lebensmitteln. Die Sanktionen gegen das afghanische Taliban-Regime verschärfen die humanitäre Lage in dem Land noch mehr. Sanktionen töten. Sie haben aber weder im Iran, noch im Irak, noch in Syrien zu einer Schwächung der jeweiligen Regierung geführt. Warum sollte das jetzt gegenüber Russland funktionieren? Sie werden die russische Militärmaschinerie nicht ernsthaft schädigen können.

Insbesondere für Deutschland gilt: Wenn es die russische Wirtschaft ruinieren will, schneidet es sich unweigerlich selbst ins Fleisch. Absatzmärkte fallen weg und gefährden Arbeitsplätze auch hierzulande, und die Energie- und Lebensmittelpreise galoppieren jetzt schon. Ein sofortiger Stopp russischer Energielieferungen würde nicht nur Millionen Russen, sondern auch Millionen von EU-Bürgern in wirtschaftliche Not stürzen – in eine beispiellose Rezession, in Arbeitslosigkeit, und buchstäblich in die Kälte. Die finanziellen Schäden – und in ihrer Folge auch die politisch-sozialen – würden diejenigen durch die Corona-Lockdowns um ein Vielfaches übertreffen. Gewinner werden die USA sein, die ihr umweltschädliches, teures Fracking-Gas nach Europa verkaufen wollen. Die Logik der militärischen, aber auch wirtschaftlichen Eskalation gegen Russland läuft darauf hinaus, Europa in eine langfristige Auseinandersetzung mit Russland zu treiben und unterminiert damit jede Perspektive auf eine Zusammenarbeit in Europa.

Nötig ist jetzt, im Gegensatz zu dieser Politik, eine sofortige Waffenruhe, und eine von der deutschen Regierung angestoßene Vermittlungsoffensive: Berlin muss anbieten, die Schirmherrschaft über Verhandlungen zwischen beiden Seiten zu übernehmen, um die Ergebnisse von Istanbul zu sichern, und diese zu einer belastbaren Verhandlungslösung aufzubauen. Die Sicherheitsinteressen der Ukraine ernst zu nehmen, heißt nicht, sie mit Waffen aufzurüsten, sondern alle Anstrengungen dafür zu unternehmen, dass die Waffen schweigen.

Für Frieden steht Rationalität. Alles andere mündet nur in eine Verlängerung des Tötens, in schwere wirtschaftliche Rezession und in irreparable politische Schäden sowohl zwischen den europäischen Staaten als auch innerhalb ihrer Gesellschaften. Kalte Krieger wie Graf Lambsdorff, die meinen, nun auch noch einen innerdeutschen psychologischen Krieg mit innenpolitischer Feindmarkierung und Säuberungsideologie gegen FriedensdemonstrantInnen ausrufen zu müssen, gehören geächtet.

Verhandlungen/Dialog und Interessensausgleich sind alternativlos. Es bleibt dabei: Wir brauchen ein System gemeinsamer Sicherheit in Europa inklusive der Ukraine und Russlands, für umfassende humanitäre Hilfe und für die Abschaffung der Atomwaffen, um die Drohung der atomaren Vernichtung ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

Wir rufen alle Bürger, die den Wunsch nach Frieden haben, auf, sich an den Ostermärschen der Friedensbewegung zu beteiligen. Nur wenn möglichst viele Gesicht zeigen gegen diesen Krieg, gibt es wieder eine Chance, eine deutsche Friedenspolitik zu erreichen.